18.1 Modellannahmen

In diesem Modell gehen wir von zwei Ländern, zwei Gütern und zwei Produktionsfaktoren aus. Die beiden Länder bezeichnen wir als Inland und Ausland (alle Variablen für Ausland werden mit $\text{∗}$ gekennzeichnet), die beide Güter als Textilien $C$ (gemessen in Meter) und Lebensmittel $F$ (gemessen in Kalorien). Die Ressourcen (Produktionsfaktoren) sind Arbeit $L$ und Kapital $K$. Die Produktionsfaktoren sind im Land mobil, d.h. sie können zwischen den Industrien wandern, aber immobil zwischen den Ländern. Ein wichtiger Unterschied zum Ricardo-Modell besteht darin, dass Länder gleiche Produktionstechnologien haben, die Faktorausstattungen aber unterschiedlich sind.

Um das Modell zu verstehen, müssen wir zwei neuen Begriffe einführen. Ein Land heißt kapitalreich, wenn das Verhältnis von vorhandenen Kapital- zu Arbeitsressourcen größer ist als im anderen Land:

$$\frac{K}{L}>\frac{K^{\text{∗}}}{L^{\text{∗}}}.$$

Wenn das Verhältnis von vorhandenen Arbeits- zu Kapitalressourcen größer als im anderen Land ist, heißt das Land arbeitsreich. Hier ist also das Inland kapitalreich und das Ausland arbeitsreich. Es kommt dabei nicht auf die absoluten Zahlen an, da ein großes Land beispielsweise von beiden Faktoren mehr haben kann als ein kleines, sondern nur auf den Quotienten.
Beide Branchen, Textilien und Lebensmittel, benötigen für die Produktion beide Ressourcen, Arbeit und Kapital, wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß. Eine Industrie heißt kapitalintensiv, wenn für beliebig gegebene Faktorpreise das Verhältnis von eingesetztem Kapital zu Arbeit höher ist als in der anderen Industrie. Eine Industrie heißt arbeitsintensiv, wenn für beliebig gegebene Faktorpreise das Verhältnis von eingesetzter Arbeit zu Kapital höher ist als in der anderen Industrie.

Um das zu verdeutlichen schauen wir uns ein Beispiel an. Betrachtet seien zwei Länder, England und Portugal, mit Ressourcen Arbeit und Kapital. England verfügt über 8 Arbeitseinheiten und 16 Kapitaleinheiten, Portugal verfügt über 12 Arbeitseinheiten und 4 Kapitaleinheiten. Die Länder produzieren zwei Güter: Wein und Tuch. Zur Produktion einer Einheit Wein werden 2 Arbeitseinheiten und 1 Kapitaleinheit benötigt. Zur Produktion eine Einheit Tuch werden 2 Arbeitseinheiten und 4 Kapitaleinheiten benötigt.

Welches Land ist kapitalreich? Welches ist arbeitsreich? Das Verhältnis von Kapital zu Arbeit ist in Portugal:

$\frac{K}{L}=\frac{4}{12}=\frac{1}{3}$.

Das Verhältnis in England beträgt:

$\frac{K^{\text{∗}}}{L^{\text{∗}}}=\frac{16}{8}=2$. Daher ist England im Beispiel kapitalreich und Portugal ist arbeitsreich.

Welche Industrie ist kapitalintensiv? Welche ist arbeitsintensiv? Das Verhältnis von eingesetztem Kapital zu Arbeit beträgt für Wein $1∕2$ und für Tuch $4∕2=2$. Daher ist die Tuchproduktion im Beispiel kapitalintensiv und Weinproduktion arbeitsintensiv.

Fassen wir die Modellannahmen zusammen.

• Zwei Länder: Inland und Ausland. Es wird angenommen, dass Inland kapitalreich und Ausland arbeitsreich ist.
• Zwei Produktionsfaktoren: Arbeit $L$ und Kapital $K$, mobil zwischen Industrien, immobil zwischen Ländern.

• Zwei Güter: Textilien $C$ und Lebensmittel $F$. Es wird angenommen, dass Textilindustrie kapitalintensiv und Lebensmittelindustrie arbeitsintensiv ist.

  $$\frac{K_C}{L_C}>\frac{K_F}{L_F}\text{ oder anders ausgedrückt }\frac{L_F}{K_F}>\frac{L_C}{K_C}$$

• Zur Produktion der Güter stehen beiden Ländern die gleichen Produktionstechnologien zur Verfügung, die konstante Skalenerträge aufweisen (CRS-Technologien). Wir definieren für die beiden Technologien folgende Variablen:

  • $a_{\mathit{KC}}$ - das zur Produktion einer Einheit Textilien eingesetzte Kapital
  • $a_{\mathit{LC}}$ - die zur Produktion einer Einheit Textilien eingesetzten Arbeit
  • $a_{\mathit{KF}}$ - das zur Produktion einer Einheit Lebensmittel eingesetzte Kapital
  • $a_{\mathit{LF}}$ - die zur Produktion einer Einheit Lebensmittel eingesetzte Arbeit
• Die Nutzenfunktionen beider Länder sind homothetisch und identisch.
• Es herrscht ein vollständiger Wettbewerb auf allen Märkten.
• Es gibt keine Transportkosten und Handelsbarrieren.